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17.07.2023

Archäologische Funde in Wernigerode

Forschungen am verschwundenen Kloster Himmelpforte bei Wernigerode

Kloster_Himmelpforte
Ehrenamtliche Helfer unterstützen die archäologischen Untersuchungen am ehemaligen Kloster Himmenpforte in Wernigerode. Das Augustinereremitenkloster Himmelpforte - auch Himmelpforten genannt - wurde vor 1253 durch das niederadelige Geschlecht von Hartesrode gegründet. 1516 war Martin Luther (1483-1546) zu Besuch. Nach der Aufgabe des Klosters in der Reformationszeit verfielen die Gebäude und wurden später fast restlos abgerissen. Besonders eindrucksvoll sind die noch über einen Meter hoch erhaltenen Fundamente eines großen, mit mächtigen Strebepfeilern versehenen spätgotischen Bauwerks. Zu den archäologischen Funden am ehemaligen Kloster Himmelpforte gehören vier Goldgulden. Die Goldmünzen hatten einen großen Wert, und das kleine Vermögen wurde vermutlich von einem Mönch in einer akuten Gefahrensituation verborgen», sagte Projektleiter und Archäologe Felix Biermann vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.

Pressemitteilung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Das aufgelassene Kloster Himmelpforte bei Wernigerode steht in diesem Jahr erstmals im Mittelpunkt einer Ausgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, die unter Beteiligung zahlreicher Interessierter aus der Umgebung stattfindet. Es gelang die Lokalisierung der Klostergebäude; zahlreiche Funde erzählen vom Alltag der Augustinereremiten. Ein besonderes Schlaglicht auf die Zeit des Bauernkriegs wirft der Fund von vier Goldgulden, die wohl im Zuge der Unruhen verborgen wurden.
Das bei Wernigerode (Lkr. Harz) gelegene Augustinereremitenkloster Himmelpforte (auch Himmelpforten), vor 1253 durch das niederadelige Geschlecht von Hartesrode gegründet, war ein wichtiges religiöses, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Region, das heute insbesondere als Luther- Gedenkort bekannt ist: 1516 besuchte der Reformator, selbst Augustiner, die Abtei. Im Bauernkrieg 1525 geplündert und in der Reformationszeit aufgehoben, unterlagen die Gebäude später fast restlosem Abriss und Verfall.
In dem idyllischen Waldtal an den Ausläufern des Harzes erinnern heute nur noch einige Trümmer der Klostermauer, der Name und ein Luther- Gedenkstein von 1917 an die versunkene Abtei. Nicht einmal deren genaue Lage war bisher bekannt.
Um Informationen über die Gestalt und Historie des Klosters zu gewinnen, führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen- Anhalt mit Unterstützung der Stadt Wernigerode nun Forschungen an der Klosterstätte durch. Damit soll dieser heute an die Peripherie gerückte Geschichtsort wieder stärker in den Fokus einer interessierten Öffentlichkeit gelangen. Bereits im letzten Jahr fanden geophysikalische Prospektionen statt, die erste Hinweise auf im Boden erhaltene Relikte einer eher kleinen, aber stattlichen Klosteranlage mit der Kirche im Norden und den südlich anschließenden, um einen Kreuzhof angeordneten Klausurgebäuden im Süden ergeben haben. Aktuell werden diese Relikte mit einem Grabungsschnitt von gut 50 Metern Länge und 2 bis 5 Metern Breite untersucht.
Die diesjährige Ausgrabung unter Leitung von Prof. Dr. Felix Biermann (LDA) ergibt spannende und vielversprechende Ergebnisse: Ausbruchgruben und Fundamente zeichnen den Plan der Kirche und der Klosterbauten in großer Deutlichkeit nach. Besonders eindrucksvoll sind die noch über 1 Meter hoch erhaltenen Fundamente eines großen, mit mächtigen Strebepfeilern versehenen spätgotischen Bauwerks, das außen an den Südflügel der Klausur angebaut war. Es handelte sich vermutlich um den Speisesaal der Mönche, das sogenannte Refektorium. Das wohl im 15. Jahrhundert entstandene Bauwerk besaß sogar ein in die Wand integriertes Waschbecken mit Ablauf nach Außen – Zeugnis der hohen hygienischen Standards des Konvents in jener Zeit.
Die aktuellen Arbeiten schlossen intensive Metalldetektoruntersuchungen auf der gesamten Klosterfläche mit ein, durch die das metallene Fundgut des Platzes geborgen werden konnte. Zahlreiche Funde des 13.–16. Jahrhunderts künden vom Alltag, von der Wirtschaft, vom Handel und vom Wohlstand der Klostergemeinschaft, darunter Messing-Buchschließen aus der Bibliothek, ein Schreibgriffel, Keramik und Tierknochen, Messer, Hufeisen und diverse Werkzeuge, eine Sichel und ein hochmittelalterlicher Reitersporn, Schlossfragmente, reich verzierte Tuchplomben aus Blei als Zeugen weiträumigen Handels, Waffenteile wie der Knauf eines Ritterschwerts des 14. und eine als ›Bauernwehr‹ bekannte kurze Hiebwaffe des folgenden Jahrhunderts. Die letztgenannten Funde künden von den konfliktreichen und kriegerischen Zeiten, in denen sich die mönchische Gemeinschaft um ein gottgefälliges Leben bemühte.


Außergewöhnlich ist ein Hort von vier Goldmünzen aus dem Klostergebäude: ein vor 1493 in Frankfurt am Main geprägter Gulden des römisch-deutschen Kaisers Friedrich III., ein 1486–1495 in Schwabach bei Nürnberg geschlagener Gulden der Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Ansbach und Sigismund von Brandenburg-Kulmbach sowie zwei in Bonn geprägte Gulden des Erzbistums Köln (1480–1481). Goldmünzen waren von enormem Wert. Das kleine Vermögen wurde mutmaßlich von einem Mitglied des Konvents in einer akuten Gefahrensituation verborgen, die nicht gut ausging – eine nachfolgende Bergung blieb ihm jedenfalls verwehrt. Viel spricht dafür, dass die teilweise bereits stark abgegriffenen Goldmünzen hastig verborgen wurden, als die aufrührerischen Bauern 1525 das Kloster stürmten – ein eindrucksvolles Zeugnis jener dramatischen Ereignisse.


Eine Besonderheit der Ausgrabungen in Kloster Himmelpforte ist die intensive Einbindung ehrenamtlicher Interessierter. Neben dem Grabungsteam des LDA wirken gut 30 Personen aus Wernigerode und Umgebung mit, die einem entsprechenden Aufruf der Stadt gefolgt sind und teilweise erstmals ihr geschichtlich-archäologisches Interesse praktisch erproben können.

Die Berichterstattung war sehr umfangreich, ein sehr informativer Beitrag ist beim MDR Radio zu hören.