Begründung:
Im Jahr 2010 hatte die Stadt Wernigerode die Stromkonzession für den Ortsteil Schierke unter fachanwaltlicher Begleitung neu ausgeschrieben, da wegen eines formellen Fehlers nur ein nichtiger Konzessionsvertrag zwischen der damaligen selbständigen Gemeinde Schierke vorlag. Die Stadtwerke Wernigerode GmbH gab das beste Angebot ab, so dass mit Beschluss 139/2010 der Zuschlag an das städtische Tochterunternehmen erteilt werden konnte. Dies rügte E.ON Avacon mit dem Hinweis, sie wären rechtmäßiger Konzessionsinhaber aus Schierker Zeiten unter Bestreitung eines formellen Fehlers und erhoben Klage gegen die Stadt Wernigerode.
Nachdem das Landgericht Hannover E.ON Avacon noch Recht gegeben hatte, setzte sich die Stadt vor dem Oberlandesgericht Celle und dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit ihrer Rechtsauffassung durch. Hierdurch wurde festgestellt, dass E.ON Avacon nicht wirksam Stromkonzessionsinhaber in Schierke ist.
Entsprechend versuchte die Stadtwerke Wernigerode GmbH nunmehr, die Netze von E.ON Avacon gegen finanziellen Wertausgleich herausgegeben zu bekommen.
Ähnlich wie in der Gemeinde Nordharz war zu erwarten, das E.ON Avacon hier einen deutlich überhöhten Wert ansetzen würde. Für das Netz der Gemeinde Nordharz läuft dazu bereits zwischen beiden Stromanbietern seit geraumer Zeit ein Gerichtsverfahren mit mehreren Gutachtern.
Für Schierke rügt E.ON Avacon die damalige Konzessionsvergabe nunmehr erstmalig, die Kriterien für die Zuschlagserteilung wären nicht hinreichend im Vorfeld bekannt gegeben worden.
Vor dem Angebot von E.ON Avacon hatte jedoch die Stadt mit Schreiben vom 12.11.2010 dezidiert das Auswahlverfahren beschrieben und mitgeteilt, nach welchen Kriterien die Stadt die Entscheidung vornehmen würde (u. a. Höhe der Konzessionsabgabe, sicherer Netzbetrieb, kommunale Einflussnahme auf den örtlichen Netzbetrieb, Umwelt- und Energiekonzepte).
In den letzten 5 Jahren ist jedoch eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren ergangen, z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2013 (Az. KZR 65/12 und KZR 66/12) mit Folgerechtsprechung diverser Landgerichte aus den Jahren 2014 und 2015. Danach müssen vorrangig die Ziele des § 1 EnWG abgebildet und gewichtet (!) sein, es sollen Unterkriterien benannt, die Bewertungsmethode mitgeteilt sowie eine separate Eignungsprüfung durchgeführt werden.
Im vorliegenden Fall wäre zudem fraglich, wie es sich auswirkt, dass selbst bei einer nicht mitgeteilten Wichtung E.ON Avacon erst jetzt den Bewertungskatalog rügt und ob dies zur Nichtigkeit der Vergabeentscheidung führen würde.
Es bestehen zwei rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten: Entweder könnte die Stadtwerke Wernigerode GmbH E.ON Avacon auf Herausgabe der Netze verklagen. Dies würde wahrscheinlich ebenfalls bis zum Bundesgerichtshof gehen und Jahre in Anspruch nehmen. Anschließend könnten sich beide Anbieter noch gerichtlich über den Wert der Netze streiten.
Alternativ, und hier in Abstimmung mit den Stadtwerken empfohlen, ist die einvernehmliche Auflösung des Konzessionsvertrages mit den Stadtwerken und die Neuausschreibung und Neuvergabe des Schierker Stromnetzes unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung.
Ein finanzieller Nachteil entsteht der Stadt derzeit nicht, da beide Anbieter die gesetzlich höchstmögliche Konzessionsabgabe vereinbart haben und E.ON Avacon auch in konzessionsloser Zeit entsprechend den gesetzlichen Vorgaben bis zur Netzübergabe zahlt. Auch die Bürger können früher wie in Zukunft Angebote beider und weiterer Anbieter wählen. Die Stromkonzession regelt nur, wer anderen Netzanbietern ein Durchleitungsentgelt berechnen darf (und dafür an die Stadt die Konzessionsabgabe zahlt).
In die Neuvergabe der Stromkonzession sollte auch Drei Annen Hohne einbezogen werden. Auch hier liegt ohne bestehenden Konzessionsvertrag eine Versorgung aus Richtung Elbingerode durch E.ON Avacon vor, wobei anteilig Konzessionsabgabe an die Stadt Wernigerode ordnungsgemäß abgeführt wird. Das bestehende Leitungssystem, dessen Verlauf von E.ON Avacon zwischenzeitlich vorgelegt wurde, lässt jedoch auch eine Versorgung durch andere Anbieter zu.
Gaffert
Oberbürgermeister