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TOP 6 - Vorstellung des Wernigeröder Interkulturellen Netzwerkes (WIN e. V.) durch Frau Dr. Tschäpe
Wortprotokoll ...
Frau Dr. Tschäpe stellt das Interkulturelle Netzwerk WIN e. V. vor. Sie berichtet, dass sie bei Bekanntgabe der Beschlussvorlage 130/2024 – Bedarfsanmeldung zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber und Flüchtlinge – den Eindruck hatte, dass im Stadtrat wenig bekannt sei, wie die Lage bei den Ausländern in Wernigerode ist. Dies könne man positiv interpretieren, indem man sagt, es läuft unauffällig und ohne Probleme, aber beim genaueren Hinschauen gibt es doch einige Baustellen.
Der Verein WIN e.V. wurde 2011 gegründet und sei in erster Linie ein Netzwerk, das aus aktiven Einzelpersonen besteht, die miteinander in Verbindung stehen und über weitere Bekannte gegenseitig praktische Hilfe und Unterstützung leisten. Das Netzwerk besteht aus 45 Mitgliedern, von denen 10 – 15 % sehr aktiv sind.
2011 gab es in Wernigerode einige junge deutsch-russische Spätaussiedler-Frauen, die vor allem im Stadtfeld wohnten. Ab 2013 fand einmal im Monat ein Frauenfrühstück beim Internationalen Bund (IB) in der Feldstraße statt, bei dem vier Spätaussiedlerinnen sowie Vietnamesinnen und vereinzelte Frauen aus anderen Ländern dabei waren. 2015 kamen viele Syrer (Kurden) und Afrikaner nach Wernigerode. Im WIN e. V. gab es zwei Personen, die Arabisch konnten, diese konnten mit ihren Sprachkenntnissen in Wernigerode und auch in der ZAST Halberstadt vermitteln. Die AsylbewerberInnen konnten so Hilfe bei der Beschaffung von Wohnraum, Möbeln aus Haushaltsauflösungen und weiterem Hausrat wie Geschirr etc. erhalten.
In der Zwischenzeit sind die Kurden in Wernigerode alle gut etabliert und sprechen Deutsch. Unter ihnen waren auch Musiker, die hier auch Konzerte gegeben haben, der Berühmteste von ihnen lebt jetzt in Köln.
Es fand jährlich im November im Rathaussaal ein „Kulinarischer Abend International“ mit Kulturprogramm, Essen und Beisammensein statt, was durch Corona und die anschließenden Bauarbeiten nicht mehr möglich ist. Die Personen, die jetzt da sind, sind von der Anzahl viel mehr, es wurde dann dazu übergegangen, einmal im Jahr ein Sommerfest im Bürgerpark zu organisieren, was sehr gut ankommt und auch viele Gäste anlockt. Einmal im Monat findet jetzt das frühere „Frauenfrühstück“ als „Frauensprachcafé“ in der Remise statt. Da am Frühstück nur die Frauen teilnehmen können, die noch nicht in Arbeit sind, ist man mit dem „Frauensprachcafé“ auf den Nachmittag gegangen. Dieses wird von Frauen mit kleinen Kindern besucht, die noch nicht arbeiten können, Arbeitende kommen später dazu. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 5 und 25, es fungiert als „Auffangbecken“. Ziel ist es hier, Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Frauen aufzubauen.
Weiter gab es die „Aktion Fahrräder“, bei der über die Presse gebrauchte Fahrräder gesucht wurden. Der WIN e. V. hat 25 Fahrräder bekommen, hat diese repariert bzw. in Ordnung gebracht, und bis auf 4 wurden alle Fahrräder bereits vergeben.
Neu ist der „Deutsch Übungskurs“ einmal in der Woche im Seniorenzentrum mit wechselnder Beteiligung.
Bei den in den letzten Jahren zugewanderten Ukrainerinnen und Ukrainern hat der WIN e.V. ebenfalls Unterstützung bei der Unterbringung und Ausstattung der Wohnungen geleistet. Aktuell besteht ein großer Bedarf an Personen, die mit den Ukrainerinnen und Ukrainern im Rahmen privater Kontakte Deutsch sprechen, um deren Sprachfertigkeiten zu verbessern. Während in den Sprachkursen vor allem Grammatik vermittelt wird, erwerben die Zugewanderten umgangssprachliche Fähigkeiten am besten in zwanglosen Gesprächen.
Weiterhin leben in Wernigerode Afghaninnen und Afghanen, die im Dezember 2022 zugezogen sind. Diese sind bereits alle berufstätig und integriert.
Der WIN e.V. erreicht jedoch nur einen Teil der Ausländerinnen und Ausländer, nämlich diejenigen, die sich um Integration bemühen und aktiv nach Unterstützung fragen. Frau Dr. Tschäpe betont, dass sie daher keine Aussage zur Gesamtsituation aller Ausländerinnen und Ausländer in Wernigerode treffen kann. Der Verein kann nicht die Aufgaben der KoBa oder der Ausländerbehörde übernehmen, sondern lediglich unterstützend tätig sein. Hauptprobleme bestehen insbesondere bei der Unterstützung im Schriftverkehr, beispielsweise bei Bescheiden oder Anträgen auf finanzielle Leistungen.
Frau Dr. Tschäpe wünscht sich, dass Arbeitgeber offener für Probeeinstellungen wären. Es gebe viele engagierte Ausländerinnen und Ausländer, für die es dennoch schwierig sei, eine Anstellung zu finden.
Frau Barner berichtet, dass es im IGZ bereits eine Veranstaltung mit Arbeitgebern aus dem gesamten Harzkreis gegeben habe, die Ausländerinnen und Ausländer eingestellt und von ihren Erfahrungen berichtet hätten. Solche Initiativen existierten, da auch Fachkräfte gesucht werden.
Frau Dr. Tschäpe ergänzt, dass von der Oskar-Kämmer-Schule und der Akademie Überlingen ebenfalls Arbeitspraktika vermittelt werden, dies aus ihrer Sicht jedoch nicht ausreiche.
Herr Schult erwähnt den „Tag der Rückkehrer“.
Frau Dr. Tschäpe und Frau Barner stellen klar, dass es sich hierbei um Deutsche handelt.
Frau Dr. Tschäpe weist darauf hin, dass viele Ausländerinnen und Ausländer keinen Nachweis über berufliche Qualifikationen haben oder die Anerkennung der Nachweise bei der zuständigen Stelle in Magdeburg sehr lange dauert.
Herr Stechhahn berichtet, dass in seinem Betrieb ein Elektroingenieur aus der Ukraine beschäftigt war, der jedoch aufgrund der spezifischen Technik deutscher Schaltschränke Schwierigkeiten hatte. Da die Schaltpläne in der Ukraine anders aufgebaut sind als in Deutschland, könnten daraus Sicherheitsprobleme entstehen. Selbst mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen war eine Verständigung nicht möglich.
Herr Sciborski ergänzt, dass selbst wenn ein Berufs- oder Hochschulabschluss aus der Ukraine in Deutschland anerkannt wird, beispielsweise Lehrkräfte hier noch ein Referendariat absolvieren müssen, da es inhaltliche Unterschiede gibt.
Frau Dr. Tschäpe merkt an, dass die Anforderungen an Deutschkenntnisse für solche Berufe sehr hoch sind.
Frau Barner hält dies in manchen Fällen auch für gerechtfertigt.
Frau Angelov berichtet aus dem Bereich Schule, dass ausländische Kinder erst die Schulpflicht erfüllt haben müssen, um einen Sprachkurs absolvieren zu dürfen. Sie selbst hat eine Schülerin aus Kenia, die von Tag 1 an bewertet wird, obwohl sie kein Wort Deutsch spricht. Sie hat sich für die Schülerin bemüht, aber keine Erlaubnis für einen Deutschkurs erhalten. Die Schülerin muss erst einmal sitzenbleiben, dann bekommt sie einen Hauptschul-Vermerk. Dann wird sie solange im Schulsystem verbleiben, bis sie einen sehr schlechten oder keinen Hauptschulabschluss hat, aber ihre Schulpflicht erfüllt hat. Dann erst darf sie den Sprachkurs absolvieren. Es gibt viele Kinder, denen es ebenso ergeht.
Frau Puse bittet um Rederecht, es wird ihr erteilt. Sie berichtet, dass die Berufsschule in Wernigerode Sprachklassen hat.
Frau Dr. Tschäpe berichtet von einem eritreischen Jungen im Kindergarten, der fließend Deutsch spricht.
Herr Sciborski bestätigt das, je jünger Kinder seien, umso schneller lernen sie die Sprache, im Kindergarten in 4 – 5 Wochen. Dies ende jedoch mit dem Einsetzen der Pubertät, was evolutionsbiologische Gründe habe. Auch mit 13 bzw. 14 lernen Jugendliche noch eine andere Sprache, aber dann mit Akzent.
Frau Köhler berichtet, dass bei ukrainischen Kindern Probleme mit Erfüllen der Schulpflicht beobachtet werden. Für diese sei es auch eine schwierige Situation, man wisse nicht, ob oder wann man in sein Heimatland zurückgeht. Viele dieser Schüler und Schülerinnen haben auch das Online-Schul-Angebot in ihrer Muttersprache genutzt. Es gibt keine Kita-Pflicht, und viele Kulturen kennen dieses Angebot auch gar nicht. Es muss gelingen, diese Familien abzuholen und entsprechend in die Schule zu begleiten. Für die Kinder stelle sich das nicht als Problem dar, diesen komme der Austausch mit Gleichaltrigen entgegen, sondern eher die Eltern müssen abgeholt werden. Sie erwähnt ein Vorschulprojekt für Migrationskinder in Merseburg. Es fehlt ihr aber der Erfahrungswert, man müsse bei Grundschulen anfragen, wie Migrationskinder, die nicht vorher in einer Kita waren, dort ankommen.
Herr Krug berichtet, dass er seit 25 Jahren als Fahrschullehrer tätig ist und die Erfahrung gemacht hat, dass viele Russlanddeutsche auch Deutsch sprechen, sehr gut untereinander vernetzt sind und sich gegenseitig helfen. Man müsse darauf hinwirken, dass diese nicht nur unter sich bleiben, sondern überall integriert werden.
Frau Dr. Tschäpe sagt, genau das ist die Idee des WIN e. V. Sie denkt, dass es im IB, im Senioren- und Familienhaus und im Frauenzentrum viele Möglichkeiten hierzu gibt.
Frau Angelov möchte an dieser Stelle einmal Danke sagen für das ehrenamtliche Engagement, das seit vielen Jahren schon und unter wechselnden Bedingungen super funktioniert und ohne dass es nicht gehen würde.
Frau Dr. Tschäpe sagt, die Hilfe gelingt nicht immer und ist anstrengend, aber ihre größte Freude ist, die Erkenntnis gewonnen zu haben, dass Ausländer genauso sind wie Deutsche, dass die Ähnlichkeiten viel größer sind als die Unterschiede.
Frau Köhler ergänzt, dass es noch den Runden Tisch Integration für Wernigerode gibt, der versucht, alle wichtigen Institutionen zusammenzubringen um zu schauen, wie kann Integration hier in Wernigerode gelingen. Schwerpunktmäßig war er bisher ausgerichtet auf Sprache und berufliche Integration. Er ist im September 2023 gestartet, am 20. Mai 2025 findet das vierte Treffen statt. Weitere Themen werden gesucht, es wird regelmäßig von der KoBa über aktuelle Entwicklungen berichtet. Hierbei sind bereits Hürden und Herausforderungen sichtbar geworden, die am Tisch nicht geklärt werden können.