Frau Gorr begrüßte Herrn Dr. Lagatz, der als Vertreter des Wernigeröder Geschichts- und Heimatvereins e.V. an der Beratung des Kulturausschusses teilnahm und übergab ihm das Wort.
Da sich unsere Stadt mit ihrer Geschichte vermarktet, muss man sorgfältig und verantwortungsvoll mit dem Thema der Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit umgehen. Ein negatives Beispiel dafür war das Hexenmuseum im Hotel „Erbprinzenpalais“. Weiterhin führte er aus, dass sich in Wernigerode mit diesen Themen bereits beschäftigt wurde. Als Beispiel nannte er die Veröffentlichung zur 775-Jahrfeier von Wernigerode 2004, die Sonderausstellung des Harzmuseums mit Katalog „Mythos Walpurgis“ 2011 und das Buch von Monika Lücke „Ihrer Zauberei halber verbrannt. Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts, Halle 2012“, das auch Forschungsergebnisse aus Wernigerode beinhaltet.
Für Wernigerode sind 59 Prozesse nachgewiesen. Allerdings seien die Akten oftmals nicht vollständig, was die Aufarbeitung erschwere. Um diese bemüht sich in erster Linie Dr. Jörg Brückner, Leiter der Außenstelle des Landeshauptarchivs. Nach seinen Recherchen sei relativ sicher, dass 15 Männer und Frauen unschuldig der Hexerei verurteilt und hingerichtet wurden. Acht weitere Personen seien nicht nur wegen der Zauberei, sondern gleichzeitig wegen Mordes angeklagt worden. In diesen Fällen mussten keine Geständnisse durch Folter erpresst werden, hier waren die Leichen Beweis genug. Auch warnte Dr. Lagatz davor, dass Rechtssystem des 16. und 17. Jahrhunderts mit unseren heutigen Maßstäben zu beurteilen. Denn bis weit in das 18. Jahrhundert war Folter ein legitimes Mittel der Wahrheitsfindung. Auch war Wernigerode keine Hochburg der Hexenverfolgung und eng genommen hatte die Stadt mit den Prozessen nichts zu tun, da die hohe Gerichtsbarkeit beim Grafenhaus lag. Er appellierte auch im Namen des Wernigeröder Geschichts- und Heimatvereins e.V. an die Ausschussmitglieder, sich zu keiner pauschalen Rehabilitation hinreißen zu lassen. Es gibt auch Städte, die sich bewusst dagegen entschieden haben wie, z. B. Bamberg. Abschließend rät er, bevor eine Entscheidung gefasst wird, die Forschungsergebnisse von Herrn Dr. Brückner abzuwarten. Diese wäre auch bald beendet, da die Aktenlage überschaubar ist.
Auf die Nachfrage von Herrn Heinrich, ob nicht 15 unschuldig hingerichtete Menschen genügen, um als Bürgerschaft erschrocken zu sein, entgegnete Frau Tannert, dass man sich dabei aber nicht drängen lassen darf. Auch sollten die Forschungsergebnisse von Herrn Dr. Brückner abgewartet werden. Frau Gorr unterstützte diese Meinung und legte fest, dass sie Herrn Vogt eine Information über den Stand zu diesem Thema schreiben wird und sie bittet, dass sich die Stadtverwaltung nicht parallel dazu äußert.
Herr Schatz regte an, nach Abschluss der Forschungsarbeiten einen Gedenkstein auf der Wiese vor dem Bahnhofsgelände den Opfern der Hexenverfolgung zu widmen.