Vorlage - 059/2016
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1. Der Stadtrat von Wernigerode beschließt den Abschluss eines Betrauungsaktes der Stadt Wernigerode für die Wernigerode Tourismus GmbH für die Dauer von 10 Jahren befristet nach Maßgabe des zu beschließenden Betrauungsaktes.
2. Der Stadtrat von Wernigerode verpflichtet die entsandten Vertreter der Stadt Wernigerode im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung der Wernigerode Tourismus GmbH auf die Einhaltung des Sicherstellungsauftrages nach § 2 des Betrauungsaktes und die Erbringung der in § 3 des Betrauungsaktes aufgeführten Dienstleistungen hinzuwirken.
3.Der Oberbürgermeister ist ermächtigt, den Betrauungsakt als Verwaltungsakt an die Wernigerode Tourismus GmbH zu erlassen und bekannt zu geben.
4.Der Oberbürgermeister ist ermächtigt, redaktionelle Änderungen der kommunalen Betrauung, insbesondere ihrer Anlagen, Anpassungen und Veränderungen, die keine Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung darstellen sowie Anpassungen an zwingende Vorgaben des europäischen oder nationalen Rechts vorzunehmen. Gleiches gilt für etwaige redaktionelle Ergänzungen, die aufgrund von Weisungen oder Empfehlungen der Kommunalaufsicht erforderlich würden. Der Oberbürgermeister wird mittels eines regelmäßigen Berichtswesens die Mitglieder des Stadtrates darüber informieren.
Finanzielle Auswirkungen: ja
Die Aufwendungen für die jährlichen Ausgleichszahlungen der Stadt Wernigerode an die Wernigerode Tourismus GmbH in Höhe von ca. 1.800.000 € (einschließlich anteiliger Kurtaxe)
Begründung:
Ausgangslage
Das europäische Beihilferecht ist in den Artikeln 107 und 108 des „Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (sog. Lissabon-Vertrag, nachfolgend: „AEUV“ geregelt. Danach sind aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (Art. 107 Abs. 1 AEUV). Unter dieses Beihilfeverbot fallen nicht nur direkte Zuschüsse, sondern weitere mögliche wirtschaftliche Vorteile (z.B. Kapitalzuführungen ohne Aussicht auf angemessene Gewinnausschüttung, Verlustübernahmen, günstige Kredite u.ä.), die den Wettbewerb verzerren können.
Die EU-Kommission erkennt im Rahmen von Artikel 106 AEUV an, dass Mitgliedstaaten bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) erbringen müssen. Auch die touristische Wirtschaftsförderung ist unter diese Dienstleistungen zu fassen.
In Wernigerode erfolgt die Wirtschaftsförderung in Form der Tourismusförderung im öffentlichen Interesse der Stadt Wernigerode und ihrer Einwohner an einer leistungsstarken Wirtschaftsstruktur sowie allgemein zur Verbesserung der Standortbedingungen und mithin für ein Marketing zur Steigerung des Bekanntheitsgrades.
Aufgabe der Wernigerode Tourismus GmbH ist es daher, die touristische Entwicklung am Wirtschaftsstandort Wernigerode in Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Stadt Wernigerode nach dem Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt insbesondere durch ein Tourismusmarketing zu fördern. Grundsätzlich sind die Landkreise, Städte und Gemeinden im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge für die Schaffung von öffentlichen Einrichtungen, die die sozialen und kulturellen Belange der Einwohner betreffen, verantwortlich. Dies erfasst auch die allgemeine touristische Wirtschaftsförderung. Die Wernigerode Tourismus GmbH erbringt solche Dienstleistungen, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse der Stadt Wernigerode und deren Einwohner liegen.
Die Stadt Wernigerode hat der Wernigerode Tourismus GmbH zur Deckung ihres Finanzbedarfs für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Ausgleichszahlungen zur Verfügung zu stellen soweit deren sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, um dieser eine Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. Die Höhe der je Wirtschaftsjahr seitens der Stadt Wernigerode zuzuführenden oder über die Kurtaxen zugeführten Finanzmittel ergibt sich aus den Wirtschaftsplänen der Wernigerode Tourismus GmbH.
Vor dem geschilderten Hintergrund und aufgrund der aktuellen Revision des EU-Beihilferechts wurde für die Wernigerode Tourismus GmbH eine Überprüfung auf etwaige unerlaubte EU-Beihilfen in die Wege geleitet. Die Überprüfung kam zu dem Ergebnis, dass bei der gebotenen vorsichtigen Auslegung beihilferelevante Sachverhalte vorliegen. Dieses deshalb, weil nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, dass das Merkmal der Begünstigung durch staatliche Beihilfen oder eine Wettbewerbsverfälschung bzw. eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels vorliegen. Zuwendungen, die im Rahmen der touristischen Wirtschaftsförderung gezahlt werden, fallen demnach als staatliche Beihilfen in den Regelungsbereich des EU-Beihilferechts und bedürfen einer EU-rechtskonformen Vorgehensweise.
Die Verwaltung der Stadt Wernigerode und die Geschäftsführung der Wernigerode Tourismus GmbH haben zur Minimierung eventueller beihilferechtlicher Risiken herausgearbeitet, den Weg eines DAWI-Betrauungsaktes zu gehen. In diesem muss insbesondere Folgendes festgelegt sein:
- das betraute Unternehmen und das betreffende Gebiet
- der Gegenstand und die Dauer der Gemeinwohlverpflichtung
- die Art etwaiger dem Unternehmen durch die Stadt Wernigerode gewährter
ausschließlicher oder besonderer Rechte
- die Beschreibung des Ausgleichsmechanismus, Überwachung und etwaige Änderung der Ausgleichsleistungen
- die Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen
- ein Verweis auf den Betrauungsbeschluss der Stadt Wernigerode und den Freistellungsbeschluss der EU-Kommission.
Der Betrauungsakt schafft entsprechend dem Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission die rechtliche Grundlage für die Ausgleichszahlung der Stadt Wernigerode, ohne dass insoweit ein Rechtsanspruch der Wernigerode Tourismus GmbH begründet wird.
Insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Geschäftstätigkeit der Wernigerode Tourismus GmbH und im Zusammenhang mit den zeitnah durch die Gesellschaft benötigten Ausgleichsleistungen sollten diese durch die Betrauung der Wernigerode Tourismus GmbH beihilferechtlich abgesichert werden.
Die durch den Betrauungsakt rechtsförmlich vorgenommene Bekräftigung und Bestätigung der Übertragung von Aufgaben des Tourismusmarketings und der touristischen Wirtschaftsförderung auf die Wernigerode Tourismus GmbH mit Dienstleistungen im allgemeinem wirtschaftlichen Interesse führt zu keiner Veränderung der Rechte und Pflichten der Stadt Wernigerode im Hinblick auf ihre Gesellschafterstellung.
Verfahrensschritte
Für die Wernigerode Tourismus GmbH wird ein Betrauungsakt vorgeschlagen, mit dem zukünftig die Finanzmittelzuführung der Stadt Wernigerode geregelt wird, so dass die Wernigerode Tourismus GmbH weiterhin allgemein in die Lage versetzt ist, ihre satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen.
Gaffert
Oberbürgermeister